Heilige Magdalena
Francis van Bossuit (1635-1692)
Amsterdam, um 1680
Elfenbein, moderner Eisensockel
Höhe 14,5 cm, Breite 12 cm, Tiefe 2 cm
Publiziert in: Pool, M.: Cabinet de l'art de sculpture / par le fameux sculpteur Francis van Bossuit. Executé en yvoire ou ebauché en terre gravés d'apres les desseins de Barent Graat, par Mattys Pool, Amsterdam 1727, Taf. LXXXVIII
Das ungewöhnlich fein ausgeführte Elfenbeinrelief bildet in besonders hoher bildhauerischer Qualität die Heilige Magdalena als Büßerin in der Einöde ab. Die Heilige ist als reuige Sünderin mit langen Haaren und nackt dargestellt. Als Zeichen ihrer Abkehr von der Welt stützt sie ihre Hand auf einen Schädel, der zugleich als Symbol der Vanitas fungiert. Bemerkenswert ist die bewegte Komposition des Reliefs, die hochplastische Wirkung ebenso wie der Realismus der Darstellung, der besonders deutlich in der detaillierten Ausarbeitung des Haares und in der Wiedergabe anatomischer Begebenheiten am Körper der Heiligen und am Schädelknochen zu Tage tritt. Daß es sich bei dem exquisiten Relief um ein eigenhändiges Werk des berühmten Bildhauers Francis van Bossuit (1635-1692) handelt, belegt das Kupferstichwerk zum Œuvre des Künstlers, das Matthijs Pool posthum 1727 veröffentlichte und in dem das besprochene Relief mit dem Titel „Ste Magdeleine. Basrelief d’Ivoire“ abgebildet ist. Die Autorschaft Bossuits wird zusätzlich durch die stilistische Verwandtschaft dieses Werkes mit verschiedenen Arbeiten des Bildhauers bestätigt, die sich in München im Bayerischen Nationalmuseum, in Brüssel in dem Königlichen Museum der schönen Künste, in Florenz im Museo degli Argenti, im J. Paul Getty Museum in Los Angeles sowie in Toronto in der Thomson Collection in der Art Gallery of Ontario erhalten haben und die ebenfalls durch das Kupferstichwerk von Matthijs Pool als eigenhändige Werke Bossuits gesichert sind. Francis van Bossuit gehört zu den einflußreichsten und bedeutendsten Elfenbeinkünstlern, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Italien und in den Niederlanden wirkten. Davon zeugt das großformatige Kupferstichwerk, in dem der niederländische Kupferstecher Matthijs Pool 1727 das Œuvre des Bildhauers in einer gestochenen Folge von 95 Tafeln präsentierte. In dieser aufwendigen Publikation fasste Pool einleitend Bossuits ungewöhnlichen Lebensweg zusammen: 1635 in Brüssel geboren zog der Künstler zuerst nach Antwerpen und brach um 1655 nach Italien auf, wo er „seine Jugend und die beste Zeit seines Lebens verbrachte“. In Rom verweilte er etwa 25 Jahre. Vor 1685 kehrte er in die Niederlande zurück und ließ sich in Amsterdam nieder, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 1692 tätig war.
